Der Antrag auf Nichtbehandlung der Flüchtlingsaufnahme der Bunten Liste ist aus humanitärer Sicht nicht zielführend: Er zementiert einen Stillstand, der wertvolle Zeit verstreichen lässt .Die SPD-Fraktion hat zum Antrag der Bunten Liste im April sofort ihre Zustimmung signalisiert und gleichzeitig klargestellt, dass dieser Antrag lediglich Stein des Anstoßes sein kann. Die Aufnahme von 50 Flüchtenden, vordringlich unbegleitete Kinder und Jugendliche, liegt nicht bei der Stadt Lindau und auch nicht bei irgendeiner anderen Stadt in Deutschland, sondern beim Bund und den Ländern. Lindau kann nicht einfach in EU-Recht eingreifen und bestimmen, 50 minderjährige unbegleitete Flüchtende aufzunehmen. Gleichwohl hat der Stadtrat mit diesem Antrag im April 2020 versucht, Möglichkeiten beim zuständigen Landratsamtes auszuloten, um den Weg für die Aufnahme von 50 Flüchtenden frei zu machen Dies wurde vom Landratsamt mit dem Hinweis abgelehnt, dass es keine Kapazitäten habe und darüber hinaus die ihm zugewiesene Unterbringungsqoute mehr als das Doppelte erbringe. Lediglich die Bundesregierung kann darüber entscheiden, ob sie Geflüchtete aus Griechenland aufnimmt. Eine solche Aufnahme ist beispielsweise über das sogenannte Selbsteintrittsrecht aus humanitären Gründen gemäß der Dublin III Verordnung möglich. Das Bundesinnenministerium kann zudem den Bundesländern erlauben, Geflüchtete aufgrund der humanitären Notsituation aufzunehmen.
Ca. 160 Städte in Deutschland sowie auch einige Bundesländer haben dies zum Anlass genommen, einen Appell an die Bundesregierung und ihre jeweilige Landesregierung zu richten. Maßgabe war bei allen, schnellstmöglich Flüchtende aus humanitären Gründen aufzunehmen. Nur der Druck auf die zuständige Regierung kann es möglich machen, überhaupt diese katastrophalen Zustände an Europas östlichen Außengrenzen zu beenden. Auf europäischem Boden spielen sich derzeit Szenen ab, die mit den gemeinsamen Grundwerten der Europäischen Union absolut unvereinbar sind. Insofern hätte es dem Stadtrat bei der letzten Stadtratssitzung gut zu Gesicht gestanden, einen Appell an die Bundesregierung und ihre jeweilige Landesregierung zu richten, um zusätzlich geflüchtete Menschen aufzunehmen. Insbesondere gilt dies gerade ab Juli 2020 umso mehr, weil die Bundesrepublik Deutschland die EU- Ratspräsidentschaft übernimmt. So könnte sie es im Rahmen ihrer Führungsverantwortung im Sinne der Humanität ermöglichen, dass insbesondere die besonders schutzbedürftigen Minderjährigen auf sicherem Weg nach Deutschland kommen können.
Etliche europäische Länder, wie beispielsweise Luxemburg, Finnland und Frankreich haben sich aus humanitären Gründen schon bereit erklärt, schutzbedürftige Kinder aufzunehmen. Dem muss Deutschland unbedingt folgen. Damit ist auch die Frage der Finanzierung geklärt, die im übrigen nicht die Stadt Lindau oder der Landkreis aufzubringen hat, sondern der Bund und die Länder mit den dafür vorgesehenen Einnahmen.
Um die katastrophalen humanitären Zustände zu beenden, ist es dringend erforderlich die minderjährigen Flüchtenden aus diesen Lagern in Griechenland herauszuholen und nicht Hilfsprojekte zu unterstützen, die diesen betroffenen Kindern in ihrer persönlichen Situation überhaupt keine Hilfe sind. Insofern kommt die Unterstützung von Hilfsprojekten nicht infrage, und sie entspricht auch nicht dem Sinn des bereits bestehenden Stadtratsbeschlusses.
Dass die Bunte Liste sich lediglich darauf beschränkt zu behaupten, man habe einen einstimmigen wirksamen Stadtratsbeschluss, ist reine Augenwischerei, denn der Beschluss bewirkt gar nichts. Das ist reiner Populismus. Es wäre viel zielführender gewesen, den Tagesordnungspunkt im Stadtrat zu behandeln und einen entsprechenden Appell zu beschließen.
Die SPD-Fraktion spricht sich vor allem für den Schutz der Schwächsten unter den Schwachen, nämlich der Kinder und Jugendlichen aus. Durch den Antrag der Bunten Liste ist jetzt Stillstand eingetreten. Auch zeigt sich, dass die Bunte Liste es nicht für erforderlich hält, sich mit anderen Fraktionen abzustimmen, denn dann hätte sie bereits wissen können, dass eine Mehrheit diesen Appell mitträgt. So gelingt keine konstruktive Politik.
Für die SPD-Fraktion
Katrin Dorfmüller
3. Bürgermeisterin