Niemand – außer einigen Experten des Stadtrats – kann heute seriös vorhersagen, ob der Elektroantrieb mit Batterien die Antriebstechnologie der Zukunft ist. Interessanterweise haben übrigens die gleichen Experten vor Jahren Erdgas für die Stadtbusse favorisiert. Fakt ist jedoch, dass keine einzige Kommune in Deutschland komplett auf Elektroantrieb umgestellt hat. Zum jetzigen Zeitpunkt ist für uns der Elektroantrieb mit Batterien nicht der Antrieb der Zukunft. Wenn er also nur eine Zwischenstufe darstellt, ist die Anschaffung von Elektrobussen eine teure Sackgasse, da allein die Infrastruktur für E-Technik deutlich über eine Million kostet. Würden wir also jetzt E-Busse anschaffen, müssten wir an dieser Zwischentechnologie aus Kostengründen festhalten, ob dies dann vernünftig und zukunftsfähig ist oder nicht. Bei der Beschaffung der 2. Charge 2024 sind wir dann gebunden und können nicht mehr z.B. auf Wasserstoff-Brennzellen umstellen. Zudem ist es fraglich, ob wir als kleine Kommune – innerhalb weniger Jahre – nach Diesel- und Elektroantrieb eine dritte Technologie gefördert bekommen.
Außerdem hat der E-Bus technische Nachteile gegenüber dem Dieselhybrid-Bus: Laut VDV (Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V.) haben die laufenden Elektrobusse immer noch eine Ausfallquote von 20%. Und die langen Ladezeiten verbunden mit einer geringen Reichweite verhindern einen durchgehenden Einsatz im – vom Halbstundentakt geprägten – Stadtbussystem. Abhilfe könnten hier nur teure zusätzliche Ersatzbusse leisten. Dabei ist der Dieselhybrid-Bus besser als sein Ruf. Bei einer Laufleistung von ca. 50.000 km pro Jahr spart ein Hybridbus gegenüber dem reinen Dieselbus 10 Tonnen CO-2 und ca. 4200 Liter Diesel pro Jahr. Somit spart die Stadt Lindau mit der Bestellung von 6 Bussen 60 Tonnen CO-2 und ca. 25.000 Liter Diesel pro Jahr.
Echte Experten sind sich beim Streit um die aktuell beste Antriebstechnik uneins. Immer mehr kommen jedoch zum Schluss, dass wasserstoffangetriebene LKW und Busse der Schlüssel für einen CO-2-neutralen Transport der Zukunft sind. Sehr hoffnungsfroh stimmen uns in diesem Zusammenhang die Aussagen von Landrat Stegmann (LZ vom 29.12.20). Er setzt sich für eine Wasserstoff-Tankstelle in Lindau ein. Außerdem will er festschreiben, dass ein bestimmter Anteil der Regionalbusse in Zukunft mit Wasserstoffantrieb fährt. Umso befremdlicher ist es für uns, wenn der Stadtratsmehrheit, die sich nicht für die Beschaffung von Elektrobussen ausgesprochen hat, deshalb „Kurzsichtigkeit“ und „Verrat an den jungen Menschen“ vorgeworfen wird (LZ vom 18.12.20).
Worum geht es grundsätzlich: Insgesamt sind Busse trotz hoher Verkehrsleistung nicht einmal für ein Prozent der CO-2-Emissionen des Verkehrs verantwortlich. Aber ebenso klar ist, dass Busse Teil der Lösung und nicht des Problems sind. Der wesentliche Beitrag zum Klimaschutz und zur Reduzierung der Emissionen kommt daher bei einer Erhöhung des Modal-Splits (Kenngröße zur Aufteilung der Verkehrsnachfrage auf verschiedene Verkehrsmittel) zum Tragen. Es geht kurz gesagt um die Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs bei gleichzeitiger Erhöhung des ÖPNV. Beim Umstieg vom Auto zum Bus kann, durch die erhöhte Mitnahmekapazität, zusätzlich ein Vielfaches an Emissionen reduziert werden. Dafür brauchen wir einen attraktiven Stadtbus, der pünktlich und im Takt fährt und gut angenommen wird. Hier sind wir mit dem Beitritt zum Bodo, der neuen 5. Linie und dem Haltestellenkonzept auf einem guten Weg. Damit stärken wir das Image unseres Stadtbusses, auf den wir stolz sind und ganz nebenbei auch die Marke Lindau.
Die Wirtschaftlichkeit können wir bei dieser Diskussion nicht unter den Tisch fallen lassen. In den nächsten Jahren fehlen uns fast 10 Millionen im Haushalt. Ganz zu Recht müssen wir deshalb alle Ausgaben auf den Prüfstand stellen und alle Bereiche nach Einsparmaßnahmen untersuchen. Die Entscheidung für die Beschaffung von deutlich günstigeren 6 Dieselhybrid-Bussen erfolgte nicht zuletzt auf diesem Hintergrund. Schließlich wollen wir die Finanzierung unseres Stadtbussystems und seine weitere Attraktivierung nachhaltig sichern. Gleichzeitig wollen wir der nachfolgenden Generation keinen Schuldenberg hinterlassen, der keine weiteren Investitionen zulässt.
Leider ist das Image des Stadtbusses durch die letzten Diskussionen nicht gerade gestärkt werden. Von Seiten der Bunten Liste kam dabei wiederholt der Verweis auf den Bundestagswahlkampf. Deutlich wird an diesem Beispiel die unterschiedliche Zielrichtung. Uns geht es nicht um Wahlkampf; wir wollen in der Stadtratsarbeit keine Ideologie umsetzen, sondern sachgerechte Lösungen für Lindau, die wirtschaftlich und klimafreundlich sind.